Aus dem Leben der Burtenbacher Hilfslehrer des 19. Jahrhunderts

Veranstaltungstermin: 
Donnerstag, 2. Juni 2016 - 19:00
Referent: 
Norbert W. Riemer
Veranstalter: 
BLF-Bezirksgruppe Schwaben

Zur Unterstützung und Entlastung des Burtenbacher Lehrers wurde im Jahr 1826 durch die Regierung von Schwaben die Schaffung einer Schulgehilfenstelle angeordnet. Diese nicht sonderlich gut dotierte Tätigkeit wurde bis zum Jahr 1871 von nicht weniger als 22 Hilfslehrern ausgeübt. Über deren „Irrungen und Wirrungen“ berichten diverse Archivalien im Staatsarchiv in Augsburg und im evangelischen Pfarrarchiv in Burtenbach.

Herr Pfarrer Riemer erstellte das Ortsfamilienbuch Burtenbach, dabei stieß er auch auf das Thema Lehrer. Eigentlich wollte er über die 22 Hilfslehrer sprechen, aber schon beim ersten Hilflehrer stieß er auf einen Akt von 70 Seiten. Daher handelt der heutige Vortrag über den 1. Hilfslehrer in Burtenbach Gottlieb Täter. Zuerst ging er auf die Schulgeschichte ein. Im 17. Jahrhundert gab es einen Lehrer und eine Schule. Ab 1696 übernahm der Lehrer den Mesnerdienst (zusätzliche Einkünfte) und ab 1709 den Orgeldienst (erst ab 1709 gab es eine Orgel). Der Referent verlas die vielfältigen Aufgaben des Lehrers in einem Anstellungsvertrag von 1736. Ende des 18. Jahrhunderts gab es den Lehrer Martin, der 58 Jahre in Burtenbach unterrichtet hat, dieser starb 1848 in Augsburg. Er hatte es nicht leicht mit seinem Hilfslehrer Täter. Zuerst verlas der Referent die „Stellenbeschreibung“ des Hilfslehrers, seine Bezahlung (125 Gulden), wo er wohnen sollte (freie Wohnung) usw. Nachdem 1827 über 80 Schüler die Schule besuchten, wurde beschlossen eine zweite Schule zu errichten, dafür brauchte man aber auch eine zweite Lehrkraft. Der Hilfslehrer unterrichtete im Schulsaal, der in einem Jägerhaus untergebracht wurde. Der Lehrer Martin musste dem Hilfslehrer das Heizmaterial aus seinem Vorrat abgeben, das hat ihm natürlich nicht gefallen. Der erste Kandidat wurde abgelehnt, da er nicht singen konnte, der zweite Kandidat erschien nicht, kurz danach kam Gottlieb Täter (*1807 in Augsburg als lediges Kind, der Vater war Franzose, er ging mit dem späteren Napoleon III. in die Schule) und wurde der erste Hilfslehrer in Burtenbach. Anfangs gab es keine Probleme, doch schon bald gab es Beschwerden, dass er ein aufbrausendes Wesen hat, auch gegenüber den Schülern, viel auf die Jagd ging und sich im Wirtshaus aufhielt. Täter beantragte einen Wechsel, er hätte eine Schulstelle im Untermainkreis in Aussicht. Versetzung wurde nur unter der Auflage bewilligt, dass ein anderer Hilfslehrer in Burtenbach anfängt. Da Lehrermangel herrschte, kein einfaches Unterfangen. Der Briefwechsel mit dem Distriktschulamt ist umfangreich. Es geht um Abweichungen vom Lehrplan, z.B. Täter sang nicht vor, seine Rechtfertigung: dass das seine Stimme nicht mitmache, er sei kein ausgebildeter Sänger und das Singen bereite ihm Brustschmerzen. Er erhielt einen ernstlichen Verweis, was ihm aber nicht viel ausmachte. Er sang weiterhin nicht vor, löste den Schulraum auf und kündigte seinen Weggang an. Das wurde abgelehnt, er muss bleiben, bis ein „taugliches Subjekt“ für die Stelle gefunden würde. Hilfslehrer Täter teilte mit, er hätte eine Stelle als Hauslehrer, das glaubte der Inspektor aber nicht, da davon bisher nie die Rede war (stimmte auch nicht). Täter gelobte Besserung. Nach kurzer Zeit ging es aber wieder weiter mit seinen täglichen Wirtshausbesuchen, der Jagd und dem Trinken. Zusätzlich „hat er eine katholische Person tätlich misshandelt, so dass dieser länger krank war“ und damit seine Wirksamkeit als Lehrer vernichtet. Man konnte ihm aber keine Nachlässigkeit beim Unterricht nachweisen. Seine Rechtfertigungen waren u.a. dass die täglichen Spaziergänge zur Jagd seiner Gesundheit dienten und er nur dem Jäger Gesellschaft leisten würde. Täter war sehr redegewandt. Die nächste Klage reichte Pfarrer Müller ein, da Täter nicht selbst vorsang, sondern einen Vorsänger beauftragte und dafür ins Wirtshaus ging, also auch nicht am Gottesdienst teilnahm.
Dessen Begründung, wenn er nicht singen kann, soll er dem Vorsänger zuhören? Er muss ja schließlich auch Nahrung zu sich nehmen usw. So ging es immer hin und her bis es schließlich zum Skandal kam und eine junge Frau ein Kind von ihm bekam, diese aber behauptete, dass er nicht der Vater sei (sehr viel später hat er sich zu dem Kind bekannt). Die Moralität war gestört und die Tage des Hilfslehrers gezählt. Intensiv wurde nach einem Nachfolger gesucht. Täter wurde nach Woringen versetzt, dort bekam er aber erheblich weniger Lohn und bat dann, doch in Burtenbach bleiben zu können. Er hatte den Bogen allerdings überspannt und es gab kein Zurück mehr. Zuletzt ging Herr Pfarrer Riemer auf den weiteren Lebensweg des Hilfslehrers ein. Täter heiratete in Lindau, lebte einige Zeit in Kempten und kandidierte für die liberale
Partei.

Herr Wegele dankte dem Referenten für den hochinteressanten Vortrag und die rhetorische Meisterleistung. Dieses „Original“ von Lehrer rief bei ihm (selbst Lehrer) viele Erinnerungen an sein Berufsleben hervor. Herr Pfarrer Riemer stellt einen Ausdruck für die Bibliothek zur Verfügung.

Art der Veranstaltung: 
Vortrag, Referat
Region/zuständiger BLF-Bereich: 
BLF-Bezirksgruppe Schwaben
Teilnehmerkreis: 
für BLF-Mitglieder; Gäste sind herzlich willkommen
Teilnehmerzahl BLF-Mitglieder: 
35 Mitglieder
Teilnehmerzahl Gäste (Nichtmitglieder): 
8 Gäste
Teilnehmerzahl gesamt: 
43 Teilnehmende