Jenseits von Kirchenbüchern - Seminar für Genealogen, Heimatkundler und Familiengeschichtsforscher
Unter diesem Titel veranstaltete der BLF in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv, dem Stadtarchiv München und dem Institut für Personengeschichte in Bensheim am 18. Juni 2016 ein zweites ganztägiges Seminar. Initiiert, organisiert und moderiert wurde die Veranstaltung wie auch bereits im letzten Jahr durch Prof. Dr. Wulf von Restorff. Die Begrüßung der Teilnehmer erfolgte durch Winfried Müller als Vertreter des BLF. Herr Müller umriss die Zielsetzung des Seminars und bedankte sich bei den Referenten für die Bereitschaft, die Teilnehmer von ihrem Wissen profitieren zu lassen.
Den Auftakt machte Prof. Dr. Wulf von Restorff mit seinem Vortrag „Einführung in die Genealogie“. Er stellte heraus, dass Genealogie ein Teil der Erinnerungskultur ist und damit ein Beitrag zur Geschichtsaufarbeitung. Neben der Definition einiger grundlegender Begriffe, einer kurzen Übersicht über mögliche Darstellungsformen der Forschungsergebnisse beschrieb er dann die allgemeine Vorgehensweise, wie Familienforscher an ihre Informationen kommen können.
Frau Dr. Monika von Walter vom Hauptstaatsarchiv setzte dann mit der „Einweisung für Archivbesuche“ fort. Sie erläuterte die Organisation der staatlichen Archive, gab Hinweise, wie ein Archivbesuch vorzubereiten ist und wie er abläuft. Leseübungen anhand familiengeschichtlicher Quellen des 19. Jh ergänzten diesen ersten Teil.
Nach der Kaffeepause stellte Frau Dr. von Walter eine Vielzahl von „Sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Archivalientypen für die Zeit vor 1800“ vor, die der Familienforscher in den Staatsarchiven finden und nutzen kann. Neben Auszügen aus Briefprotokollen und Urbaren zeigte Frau von Walter auch viele Beispiele für weniger bekannte Quellen, wie Verhörprotokolle (der Niedergerichte), Stift- und Gütlbücher oder Leibeigenschaftsregister.
Dr. Lupold von Lehsten vom Institut für Personengeschichte in Bensheim setzte nach der Mittagspause mit dem Thema „Migration und Rechtsgeschichte“ fort. Er begann mit einem Überblick über die großen Wanderungsbewegungen, die vom 12. bis ins 19. Jahrhundert massive Veränderungen der Bevölkerungsstruktur hervorriefen, um anschließend Vorgehensweisen und Quellen, die bei der Aufklärung solcher Wanderungen helfen können, zu erläutern.
Unter dem Titel „Meldeakten“ stellte Dr. Manfred Peter Heimers vom Stadtarchiv München die genealogischen Dokumente vor, die im Stadtarchiv zum Leben unserer Vorfahren zu finden sind. Neben Quellen zu Bürgerrecht und Einwohnerschaft, Wohnsituation, Gewerbe und Steuern finden sich dort auch die älteren Personenstandsbücher aus den Standesämtern. Am Ende seines Vortrags berichtete Herrn Dr. Heimers noch über die Diskussion mit dem Landesdatenschutzbeauftragten, der die ab Januar 2017 geplante Bereitstellung solcher Dokumente im Internet bremst. Hier erhofft er sich Unterstützung durch die genealogischen Vereine.
In einer zweiten Runde setzte Frau Dr. von Walter dann die Leseübungen mit Dokumenten des 17. und 18. Jahrhunderts fort.
Einen spannenden Vortrag hielt dann Dr. von Lehsten zu „Chronologie und Kalender, Titulaturen, Quellengattungen“. Ausgehend von der Historie (Maja-Kalender, jüdischer Kalender, römischer Kalender) erläuterte er dann die Entstehung und wechselnde Nutzung von Julianischem und Gregorianischem Kalender. Auch auf die Nutzung regionaler Kalender wie den Revolutions-Kalender für die rheinischen Gebiete ging er ein. Kurz wurden noch die Themen „Titulaturen“ und „Quellengattungen“ angesprochen, die Dr. von Lehsten bei seinem Vortrag im November 2015 in den Mittelpunkt gestellt hatte.
Den Abschluss des Seminars bildete eine Fragerunde mit den Referenten, bei der die Teilnehmer die Möglichkeit hatten, Rat und Hilfe zu eigenen Problemstellungen einzuholen.
Hinweis: siehe Vorgänger-Veranstaltung am 21.11.2015
Über die Autoren/Referenten
- W. Müller: Leiter der Bezirksgruppe Oberbayern des BLF, ehem. Geschäftsführer eines Software-Hauses, seit 10 Jahren Familienforscher.
- Prof. Dr. W. von Restorff: Sanitätsoffizier und Hochschullehrer im Ruhestand, wurde früh durch Doppelverwandtschaft mit der Großfamilie und genealogischen Beziehungen vertraut. Begann 1995 mit der Dokumentation der Genealogie im PC. Sammelt eigene Ahnen (alle) und die lebender Verwandter. Mitglied bei CompGen, BLF und MFP (Mecklenburg).
- Dr. M. von Walter: studierte nach ihrer Ausbildung zur Dipl.-Archivarin (FH) an der LMU München Geschichte mit einer Promotion aus der mittelalterliche Quellenkunde. Sie ist als wissenschaftliche Referentin am Bayerischen Hauptstaatsarchiv für Bestände des Mittelalters und der Frühen Neuzeit tätig. Darüber hinaus ist sie mit Lehraufträgen an der Archivschule München und an der Universität Regensburg betraut. Sie hält regelmäßig Vorträge zu historischen Themen und verfasst Beiträge in einschlägigen Fachzeitschriften.
- Dr. phil. L. v. Lehsten: Institut für Personengeschichte Bensheim, Historiker (Historische Hilfswissenschaften, Personengeschichte), seit Schülerzeiten auch für die Genealogie begeistert sowie für Kirchenmusik, das Wandern und seine Familie. Die Dissertation untersucht die Gesandten der evangelischen Reichsfürsten zum Reichstag, speziell jene der hessischen Landgrafen, und das Gesandtenwesen im 16. bis 18. Jahrhundert. Er ist Mitglied im Vorstand DAGV und verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift "Archiv für Familiengeschichtsforschung" sowie Schriftleiter der Hessischen Familienkunde..
- Dr. M. P. Heimers: Studium der Geschichte und der Politikwissenschaft an den Universitäten Trier und Reading (GB), Promotion an der Universität Trier im Fach "Zeitgeschichte" zur Haltung der badischen SPD in der Reichsreformfrage der Weimarer Republik, Ausbildung zum höheren Archivdienst am Hauptstaatsarchiv Stuttgart und an der Archivschule Marburg, als wissenschaftlicher Archivar am Stadtarchiv München von Anfang an mit Fragen der Personengeschichtsforschung betraut, stellvertretender Amtsleiter am Stadtarchiv München.
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