Die Anpassung des Vereins an gesellschaftliche Veränderungen

60 Jahre lang standen an der Spitze der Bezirksgruppe Schwaben stets ranghohe Herren mit einem Doktortitel, welche in Personalunion stets auch Stadtarchivdirektoren und Vorsitzende des Historischen Vereins von Schwaben waren (1926-1932 Dr. Hans Wiedenmann, 1932-1947 Dr. Heinz Friedrich Deininger, 1947-1952 Dr. Joseph Michael Hamberger, 1952-1972 wieder Dr. Heinz Friedrich Deininger, 1973-1983 Dr. Friedrich Blendinger). Zugleich fungierten zwei von ihnen gleichzeitig auch als Landesvorsitzende (1946-1950 Dr. Joseph Michael Hamberger, 1951-1958 Dr. Heinz Friedrich Deininger). Schon mit der Wahl meines Vorgängers OStD i.R. Helmut Schmidt im Jahre 1983 begann aber der „soziale Abstieg“, er war schon kein „Doktor“ mehr, aber immerhin im Range höher, als der im Jahre 2000 und nun seit nunmehr 11 Jahren ins Amt gewählte Volksschullehrer Manfred Wegele. Mit diesem Beispiel will ich deutlich machen, dass sich auch an der Spitze widerspiegelt, was sich an der Basis wandelt. Ahnenforschung ist eben zu einem anspruchsvollen Breitensport geworden. Das größere Freizeitangebot, das höhere durchschnittliche Ausbildungsniveau und der selbstverständliche Umgang mit modernen Medien sind beste Voraussetzungen, dieses Hobby auszuüben.

Die vergangenen fast 90 Jahre waren aber nicht nur eine einzige Erfolgsgeschichte. Nach dem vielversprechenden Anfang in den 1920er Jahren kam es zu einem weiteren Höhepunkt in den 1930er Jahren. Sicherlich kein rühmliches Kapitel, denn die Idee der Familienforschung wurde natürlich auch von nationalsozialistischem Gedankengut durchsetzt. Dies soll hier nicht verschwiegen werden. Blicken wir zurück ins Jahr 1936: Im festlich geschmückten Börsensaal in Augsburg hatten sich anlässlich der 10-Jahresfeier 500 Mitglieder und Gäste, Vertreter von Staat, Stadt und Partei eingefunden. Mit diesen Zahlen können wir heute bei weitem nicht dienen! Veröffentlichungen wie „Ahnenhorst“, „Heilige Ahnenschaft“ oder „Sippenforschung und Blutsbewußtsein“ spiegeln das eindeutige Anliegen wieder! Ich denke, allein schon diese Titel geben ein genaues Zeugnis von dem damaligen Zeitgeist. Und so kam, was kommen musste, die Begeisterung und der Höhenflug haben nach dem Krieg ein ebenso jähes Ende gefunden. Ahnenforschung hatte für die nächste Zeit einen üblen Beigeschmack. Man wollte auf keinen Fall mehr in diese verruchte Ecke gedrängt werden und so ließ man es eher bleiben.

So ist es kein Wunder, dass die Äußerungen von Herrn Sarrazin im letzten Jahr schon aufgrund dieser leidvollen Erfahrungen so eine heiße emotionale Debatte ausgelöst haben. Sie sehen also an dem aktuellen Beispiel wie „Genealogie“ (also den Genen auf der Spur sein) schnell, trotz auch eines wissenschaftlichen Anliegens, politisch missbraucht werden kann. Es dauerte lange, bis sich der Verein erholt hatte und sich den ursprünglichen Zielen wieder widmen konnte.

Nach einer Unterbrechung von etwa 15 Jahren wurde im Jahre 1958 mit neuen Bänden der renommierten Vereinszeitschrift, den sog. „Gelben Blättern“ begonnen. Liegen gebliebene Themen wurden rasch wieder aufgegriffen und veröffentlicht. Man merkte den Nachholbedarf: Gleich mehrere Ausgaben wurden jedes Jahr aufgelegt. Die Ortsgruppe Augsburg packte z. B. als ehrgeizigstes Projekt die „Schwäbischen Hochzeitsbücher“ an. Aus einem Schriftwechsel geht hervor, dass alle 900 Pfarreien Schwabens erfasst werden sollten. In der Augsburger Vereinsbibliothek stehen etwa 100 dieser Hochzeitsbücher. Das Projekt schlief aber irgendwann wieder ein. Trotzdem ist es eine beachtliche Sammlung, welche inzwischen digitalisiert ist und auf einer BLF-CD veröffentlicht wurde.